Apropos Tattoo

Was meinen Alabasterkörper angeht, nirgendwo blaue Anker und faltige Segelschiffe, keine verblasste Seemannsbraut weit und breit. Und ein martialisches Arschgeweih im Back-Stage-Bereich, also bitte. Tätowierungsfreie Zone rundherum.

 

Früher orderte man Tätowierungen mit Runzel- und Verblassungsgarantie (an die Ex). Heute heißt es Tattoo, akzeptiert in jeder Gesellschaftsschicht und bei beiden Geschlechtern. So wie es Nagel-, Haar-und Kosmetikstudios an jeder Ecke gibt, haben sich in bester Lage schicke Tattoo-Studios etabliert. Die ungebremste Lust am eigenen Körper, seiner Verhübschung und Bebilderung scheint den mental ambitionierten Genuss am Buch auszustechen. Kein Wunder, wenn Meisterstecher derart handfertig ihre hochdifferenzierten, scheinbar dreidimensional wirkenden Kunstwerke unter die Haut zu piksen wissen. Mit einem suboptimalen Herumgestochere, das verkorkste Freizeitkunst ins schmerzhafte Glück meißelt, ist es heute nicht mehr getan, es werden gewaltig komplexe Narrative (wie man neumodisch sagt) komponiert, die unter die Haut gehen. Die Epidermispanoramen der Extraklasse taugen nicht nur zur Identifikationsstiftung und Beziehungsbewältigung, sondern eignen sich auch als salonfähige Preziosen zum vorzeigbaren Egoshooting. Die ehemaligen Tätowierhandwerker des schlichten Sudelstrichs avancierten zu echten Künstlern mit stupenden technischen Fertigkeiten.

 

Und was macht Zwickau nun so besonders? Das an den neuesten Entwicklungen, Techniken, Stilen der Tattookünste interessierte Publikum pilgert von weither zur weltgrößten Tattoomesse, die vom 19. – 21.1. im Jugendstil(!)-Ballsaal(!) Neue Welt zelebriert wird. Klar geht es ums Geschäft, aber auch um eine un-alltägliche Ästhetik. Die schönen Künste der lebenden Körperpelle bringt uns Deutschlands Top-Tattooist und Messeorganisator Randy Engelhard, übrigens ausgestattet mit eigener Reality-TV-Tattoo-Reparatur-Serie, zur wohlwollenden (Er)Kenntnis. Ein heimattreuer, engagierter Zwickauer, der aufgrund innovativen Könnens und cleverer Weitsicht an die Spitze seiner Zunft aufgestiegen ist. Auch sein origineller Tattoo-Salon in der Peter-Breuer-Straße verbirgt hinter den vier Wänden ein globales Unternehmen im Auftrag der Tattoo-Ver(m)ehrung.

 

Doch Randy will mehr als "seine" Global-Kunst auf den Weg bringen, man denke etwa an Tassos monumentales Wandgemälde und ganz generell die Jugendkultur vor Ort. Und Robert Schumann schaut Im Tattoohauptquartier tattoounverdächtig, wie zahlreiche seiner Portraits von den Wänden blicken, mehr als wohl in (fast) jedem anderen Haus in dieser Stadt der Kunst und Musik.

 

Apropos: Noch immer kein Tattoo in Sicht.

 

 

 

 

 

Kulturbürger des Monats Januar wird Randy Engelhard, dem es gelungen ist, Zwickau auf der Weltkarte der Tattoo-Kunst ganz weit oben zu platzieren.