Zur Sache - Kulturthemen aus Zwickau und drumherum

 

Thema 1 - Qualität der Kulturkompetenz auf Seiten der Stadt in den Zwanzigern ... 3 Briefe

 

Hier einige Briefe zur Situation von Kunst und Kultur in den bewegten 20er Jahren in Zwickau. Hildebrandt Gurlitt war der erste Direktor des neugeschaffenen Museums am heutigen Platz der Völkerfreundschaft. Die Situation war rabiat provinziell durch einen rückschrittlchen Kunstverein und "Stadtobere", die aufgrund ihrer dürftigen Geschmacksbildung und ihrer ästhetischen Orientierung am Kleinkarierten nicht beurteilen konnten, was gute und wichtige Kunst war. Gottseidank ist heute in Zwickau das Klima zumeist ein anderes, auch wenn da und dort ein paar künstlerische Pappnasen und selbsternannte Kunstauskenner das Stelldichein der Ahnungslosen feiern. Sie haben sicher schon herausgefunden, wen ich meinen könnte - die seit vielen Jahren üblichen Tatverdächtigen halt. Wenn's halt nicht so weh täte ...

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Hildebrandt Gurlitt,

 

Vielen Dank für Ihr wertes Schreiben, welches mir anzeigt, daß Sie in Zwickau eine Arbeit aufnehmen wollen, welche nach meinem Gefühl nicht klein ist. Es freut mich, daß nun wenigstens Sie auf diesen Posten berufen worden sind. Es ist, glaube ich, für Zwickau das erste Mal, daß ein Fachmann dieses Amt innehat, und wünsche ich Ihnen von Herzen Erfolg, auf daß auch in dieser Wüste eine Oase entstehen möge.

Von meiner Seite aus kann ich Ihnen versichern, daß mich nur Ihre Person veranlaßt, Ihrem Plan einer Ausstellung in Zwickau beizustimmen, denn meine Gefühle für meine Vaterstadt sind sehr abweisend, und habe ich dabei jetzt wohl nur Gleiches mit Gleichem vergolten. Im Grunde genommen ist es eine Schmach, daß erst Sie als Nichtzwickauer kommen müssen, mich den Leuten vorzusetzen, um nicht zu sagen, aufzuzwingen. Nun sei es, zu Ihnen habe ich Vertrauen und meine Landsleute können sich bei Ihnen später einmal bedanken, daß Sie dieselben vor einer Blamage bewahren.

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Max Pechstein (1881 – 1955), Künstler, Maler, 25. Juni 1925

 

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Lieber Fechter
,

 

anbei was die Zwickauer Zeitung, das rechte Blatt der
Stadt über Ihren Vortrag schrieb.
Könnten Sie diesen Arschlöchern nicht einmal das Maul stopfen! Mit
diesen gemeinen Mitteln arbeitet man in der Provinz. Ich weiß, Ihnen ist
die Sache Wurst, mir aber nicht, denn ich sitze in diesem Dreck (?)
mittendrin.
Lassen Sie doch diesen Affen von Zeitungsleuten von irgend einem
politisch wichtigen Mann einen Brief schreiben, der sich gewaschen hat.
Sie müssen doch durch die Zeitung welche kennen. Er soll auch schreiben,
dass ich kein Sozialist bin sondern ein unpolitischer Mensch. Schön war
es, daß Sie hier waren – sehr schön, Sie wissen gar nicht, wie gut es
tut, mal ein anständiges Gesicht zu sehen.
Tausend Dank Ihr Gurlitt

 

24.10.1926, Hildebrand Gurlitt an Paul Fechter (1880 – 1958), Kunstkritiker, Redakteur

 

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Werke der mittlerweile zur Speerspitze der Moderne gehörenden Künstler wie  Barlach, Feininger, Heckel, Hofer, Kandinsky, Kirchner, Klee, Kokoschka, Lissitzky, Marc, Munch, Nolde, Pechstein, Schmidt-Rottluff wurden gezeigt bzw. erworben. Der Schriftwechsel Gurlitts im Museumsarchiv bezeugt den engen Kontakt zu diesen Künstlern, die heute längst zu den Klassikern zählen. Unter den Kunsthistorikern, Museumsdirektoren und Kunstkennern in ganz Deutschland fanden diese Leistungen regen Zuspruch und die Region für ihre Museumsarbeit Anerkennung. Dass Gurlitt nicht überall Unterstützung fand, bestätigt ein Brief des Medizinalrates Heinrich Braun an den Direktor vom 25.6.1927: „Sehr geehrter Herr Doktor! Ich danke Ihnen verbindlichst für die Dauerkarten zur Kunstausstellung... Ebenso danke ich Ihnen für die Besprechung des Museums in der Deutschen Zeitung. Die Zwickauer Spiesser werden noch eine geraume Zeit brauchen, bis sie einsehen, dass das richtig ist, was da gesagt ist. Jeder von uns, der neue Wege zu gehen sucht, macht die gleichen Erfahrungen. Aber Schwierigkeiten sind dazu da, um überwunden zu werden. Hochachtungsvoll Ihr ergebener Braun“, (Museumsarchiv, Schriftverkehr 1927).

 

Heinrich Braun (1862 – 1934), Chirurg, ärztlicher Direktor in Zwickau: an den Direktor des Museums Hildebrand Gurlitt vom 25.6.1927

 

 

 

Hier ein paar Kommentare zum Brief von Max Pechstein an Hildebrandt Gurlitt

 

Vielen Dank für Ihr wertes Schreiben, welches mir anzeigt, daß Sie in Zwickau eine Arbeit aufnehmen wollen, welche nach meinem Gefühl nicht klein ist.

Kulturarbeit in Zwickau, wenn sie überregionale Kunst präsentieren und fördern will, ist eine großes Unterfangen. Dies erst recht, wenn damit erst begonnen werden soll. Kulturarbeit ist Arbeit und nicht einfach nur Bevormundung und Selbstdarstellung, sondern professioneller Einsatz für eine Sache. Manche Orte bieten dafür allerdings wenig ermutigende Voraussetzungen, die Arbeit verlangt, will sie Erfolg haben, besonderen Einsatz und Durchhaltevermögen.

 

Es freut mich, daß nun wenigstens Sie auf diesen Posten berufen worden sind. Es ist, glaube ich, für Zwickau das erste Mal, daß ein Fachmann dieses Amt innehat, und wünsche ich Ihnen von Herzen Erfolg, auf daß auch in dieser Wüste eine Oase entstehen möge.

Kulturvermittlung an verantwortlicher Stelle setzt einen „Fachmann“ voraus, der professionell urteilen und arbeiten kann. Positiv gewertet wird die Aussicht, daß mit dem Beginn professioneller Arbeit, eine Kontinuität qualitätsgesicherter Kunst- und Kulturvermittlung beginnt.

Der Ist-Zustand ist eine „Wüste“, das Ziel eine „Oase“ – dies allerdings bleibt dennoch ein Wunsch, dessen erfolgreiche Verwirklichung ungewiß ist. In Zwickau fehlen, so kann Pechstein verstanden werden, bislang Voraussetzungen, Offenheit und Wille, um Kultur auf hohem Niveau aufblühen zu lassen. An anderen Orten ist die Aufwertung der Kultur bereits gelungen. Die Wüste wächst.

 

Von meiner Seite aus kann ich Ihnen versichern, daß mich nur Ihre Person veranlaßt, Ihrem Plan einer Ausstellung in Zwickau beizustimmen, denn meine Gefühle für meine Vaterstadt sind sehr abweisend, und habe ich dabei jetzt wohl nur Gleiches mit Gleichem vergolten.

Jeder Künstler von Rang, der im überregionalen Kunstbetrieb verortet und akzeptiert ist, achtet sehr genau auf Bedeutung, Vernetzung und Inhalte seiner Partner. Dies gilt natürlich auch für junge Künstler, die über das künstlerische Potential verfügen, um in guten Museen, Galerien und Kunstvereinen, ausgestellt zu werden. So kann einem einzelnen oder einer einzigen Initiative vor Ort das Verdienst zukommen, überregional wichtige Kultur bzw. in der „Wüste“ zu präsentieren. Widerstand ist garantiert, und Zwickau ist ein in sich abgeschlossenes Widerstandsnest.

Jeder Künstler von Rang, der im überregionalen Kunstbetrieb verortet und akzeptiert ist, achtet sehr genau auf das Umfeld einer möglichen Aktion oder Ausstellung. Hierzu zählen auch die Geschichte des Ortes und dessen bisheriger Umgang mit Kunst und Kultur. Provinzielle Nichtachtung oder sogar Anfeindung von bedeutenden Kulturleistungen werden natürlich sofort als schier unverbesserliche, nicht nachvollziehbare Ignoranz erkannt. Ablehnung und Abweisung durch Kulturverantwortliche einer in sich befangenen Stadt führen auf Seiten der Künstler und Kunstvermittler ebenfalls zu Reserviertheit und Distanz.

 

Im Grunde genommen ist es eine Schmach, daß erst Sie als Nichtzwickauer kommen müssen, mich den Leuten vorzusetzen, um nicht zu sagen, aufzuzwingen.

Schmach bedeutet auch Niederlage, Handeln gegen ein mögliches besseres Wissen, man hätte ja aufgrund eigener Initiative die Maßstäbe zur Beurteilung von Kunst und Kultur anheben und entsprechende Konsequenzen ziehen können.

Impulse und Initiative von außen, von Fachleuten sind also dringend erforderlich, bedeuten aber die Einsicht in das Versagen und Versäumnis der verantwortlichen vor Ort. Fachleute werden zudem als Okkupanten angesehen, die etwas zeigen, was man eigentlich nicht sehen und wahrhaben will. Dieser Zusammenhang wir von allen Beteiligten, die sich auskennen leicht durchschaut und bedauert. Die Provinzler betrachten alles was ihnen auf dem Präsentierteller angeboten wird als Bevormundung und im Umkehrschluß als Spiegel eigener Unfähigkeit und Ignoranz.

 

Nun sei es, zu Ihnen habe ich Vertrauen und meine Landsleute können sich bei Ihnen später einmal bedanken, daß Sie dieselben vor einer Blamage bewahren.

Persönliche Akzeptanz und Wertschätzung führen zu Vertrauen, sind aber Resultat erkennbarer und nachhaltiger Leistungen auf hohem Niveau der überregionalen Kunstvermittlung. Ein solche gegenseitige Beziehung zwischen einzelnen ist die unabdingbare Voraussetzung für das Arbeiten überhaupt, erst recht aber in der Provinz, besser: im Umfeld von Provinzlern. Die Hoffnung auf Einsicht und Dankbarkeit der Provinzler muß sich weit auf die Zukunft richten. Erfüllt sich diese Hoffnung nicht, bleibt nur die Blamage, die Offenbarung von Unwissenheit und Ignoranz und der Gegenwart und vor dem kritischeren Rückblick der Nachgeborenen.

Es ist der Fachmann, der ausgewiesene Experte, der durch sein vorausschauendes und weitreichendes Handeln sowie seinen informierten und neugiereigen Blick auf die Gegenwart für die Provinz Impulsgeber und Importeur guter Kultur sein kann. Das Gegenteil ist manifestierte Ignoranz und das Hochloben fünftklassiger Kunst durch die Provinzler, die allerdings die künftige Blamage kommen sehen.