Buchlust

Machen wir Zwickau richtig rund und runden die Einwohnerzahl auf und zwar auf lesehungrige 100000. Dann käme eine richtig echte Buchhandlung auf 25000 Einwohner. Es gibt etwa vier Umschlagplätze für Literarisches und noch zwei, drei Gemischtwarenläden wie die Bahnhofs"buchhandlung", in der man mich im März eiskalt abfertigte auf meine Bemerkung, hier könne man ja wohl Zeitschriften aus der Rechtsaußenecke erhalten: "Ja, wir wollen das und diskutieren da nicht mit Ihnen". Ich auch nicht.

 

Auch in Zeiten der global überbordenden Unterhaltungselektronik inkl. riesenhafter Horden elektrischer Buchsurrogate scheint die Sonne am Bücherhimmel. Fast allerorten beharren ehrenwerte schwarze Buchstaben auf weißem Papier auf ihrem Bleiberecht zwischen zwei real existierenden Deckeln. Selbst Buchhandelsketten gehören zu dieser Spezies seltener werdender Lektürerefugien. Doch sind auch sie nicht davor gefeit, in die Knie zu gehen, weil Turbokapitalist-Amazon mit seiner Online-Großmannssucht sie gern mal auf dem harten Boden der Tatsachen platt macht. Die heile Buchwelt ist krank, aber, während ein Haufen vergnügungssüchtiger Daddel-Zeitgenossen das Qualitätslesen entfreundet, hoffentlich nicht am Untergehen. Zum besonderen Leidwesen aller kleinen "unabhängigen Verlage" und ihrer Autoren, die ambitionierte Literatur mutig unters Lesevolk bringen wollen. Einigen dieser beispielhaften Sachverwalter guter Texte und schöner Bücher gibt übrigens der 4. Zwickauer Literaturfrühling eine Plattform (6.-10. Juni).

 

Doch freuen wir uns, daß sich in Zwickau engagierte Buchhändler ins Zeug legen, wie etwa das Team um Berthold Freitag der Buchhandlung Marx, die seit Jahr und Tag auch profilierte Promi-Lesungen anbietet. Nebenbei ist ihr Online-Auftritt so clever wie beispielhaft kundenfreundlich. Mein literarisches Empfindungsleben erfreut natürlich das Zwickauer Antiquariat, das Gabriele Hertel schon seit genau zehn Jahren kompetent und mit Herzblut betreibt. Gibt's dann im Juli eine kleine Jubiläumsparty, Frau Hertel?! Die Hauptstraße verfügt mit dieser vollbestückten Bücherstube über eine allererste (und gemütliche) Kulturadresse, die durch in die Jahre gekommene Bücherschätze besticht, aber auch mit verlagsfrischer Kost aufwartet. Einige Male im Jahr wird im behaglichen Oberstübchen vorgelesen und diskutiert. Das Spektrum ist hörbar ansehnlich – von Lyrik über Krimis bis zu Volkstümlichem und wissenschaftlicher Literatur. So erfährt man am 30. 5. ab 19 Uhr einiges über Georgius Agricola, den bedeutenden Zwickauer Renaissance-Gelehrten. Also, bitte besuchen Sie diese zentrale und erbauliche Literaturansiedlung …