Zum Sehen geboren

Eine Stadt ist immer so gut und ansehnlich - wie gut und beachtlich ihre Museen sind und nicht ihre ihre Shopping Malls oder Turnhallen. Klar, Shoppen und Leibesertüchtigung kann man machen. Denken und Lernen sind da aber schon ein anderes Kaliber. Das sage ich, weil mir aufs Ganze gesehen Kultur wichtiger und gewichtiger ist und weil es, salopp formuliert, "Dinge" gibt, die wertvoll sind, einzigartig (also unersetzbar), inspirierend, wegweisend – und womöglich alt. Häufig sind die Museen in einer Stadt auch das einzige elementare Langzeitgedächtnis, dank dem wir uns verbunden wissen mit alten Zeiten und längst vergangenem Leben, unserer Herkunft. Dieser Tage ist in Rio brasilianische Nationalmuseum komplett abgefackelt und damit die Zeugnisse für eine einmalige Kultur. Welche Tragödie!

 

Wer gerne Kunst anschaut, ob zeitgenössisch oder modern oder noch ein paar Jahrhunderte älter, braucht dazu nicht im Internet Photos herumzuschaufeln, ganz bequem und vor allem im Original kann er Bilder, Objekte, Installationen im einschlägigen Museum bestaunen.

 

Selbst dem hartnäckigsten Kulturliebhaber ist klar, wir hier leben eher in einem Zustand der Provinz, doch nicht unbedingt der Provinzialität. Und Zwickau liegt eigentlich zentral auf der mitteldeutschen Achse vom Eisenach, Erfurt, Jena, Gera und Chemnitz rüber nach Dresden. Etwas im Norden haben wir Leipzig platziert. In all diesen Städten gibt es beachtliche Museen, zum Teil von Weltgeltung wie das Kupferstichkabinett in Dresden. Aber schauen Sie genau hin: Weltgeltung – bei uns? Ja, in der Straße des größten deutschen Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing, leider aus Kamenz und nicht von hier. Dort finden Sie die höchst eindrucksvolle und zugleich weltgrößte Sammlung von Pechstein-Gemälden. Unser stadteigener Großexpressionist hat es geschafft in die erste Liga der deutschen Maler des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit der Familie Pechstein, die stets großzügig die Kunstsammlungen unterstützt, und museumseigener Energie und Findigkeit steht Zwickau einzigartig da auf der Kunstlandkarte. Überhaupt hat die gezielte Umstrukturierung der einzelnen Museumsabteilungen einen großen Gewinn gebracht. In der Hauptsache ist es die Aufgabe eines jeden Museums, zu sammeln, zu bewahren und das, was sich so ansammelt auch auszustellen.

 

Mit eindrucksvollen Max-Pechstein-Ehrenpreisausstellungen und solchen des Förderpreises, aber auch monumentalen Projekten u.a. zu Pechstein haben sich Museumschefin Petra Lewey und ihr Team in den vielen letzten Jahren eine ganze Galerie an Meriten aufgebaut. Für die nicht ganz so große Größe des Hauses haben sich die Kunstsammlungen sehr sportlich ein übergroßes Image und Format erworben weit über der Stadtgrenzen hinaus. Damit das so bleibt, bietet das Museum nun ein echtes Großereignis auf: Expressionismus vom Feinsten – "Back to Paradise. Meisterwerke des Expressionismus".

 

Es ist wie eine Allstar-Ruhmeshalle der Malerei: Kirchner, Pechstein, Heckel, Schmidt-Rottluff, Nolde, Müller und viele andere Malereiheroen mit Meisterwerken – insgesamt um die hundert Gemälde und einige Papierarbeiten. So noch niemals in Zwickau zu sehen und hoffentlich ein triftiger Grund die Kunstsammlungen mehrfach zu besuchen und den eigenen Kunstgenuss zu verwöhnen. Zeigen Sie ein Herz für Kunst in Ihrer Stadt. Das Museum liegt übrigens am Platz der Völkerfreundschaft. Ich wünschte, der große Parkplatz davor, würde nicht ausreichen …

 

Wer lieber Handball oder Golfen hinterherschauen will, soll's tun.