Dies ist eine längere und durchaus auch kritischere Version der Kolumne in der Freien Presse
Was ist jetzt Kunst am Bau und was bitteschön Kunst im öffentlichen Raum? Und überhaupt was ist Kunst? Gute, nicht so gute, miese Kunst. Und exorbitante Kunst, die ein echter Glücksfall ist. Also, wenn noch nicht mal sicher ist, was gute Kunst ausmacht, wer entscheidet dann, wo ein Bau ist, dem man Kunst appliziert? Natürlich gilt immer, sei es ein (Neu)Bau oder ein Platz eine Straße: Nicht so gute Kunst schmückt und gute Kunst wertet auf. Und bis wohin reicht der öffentliche Raum? Wem gehört was? Ist der öffentliche Raum kommunal oder gehört er dem Land, dem Bund? Und meine Datscha (hab keine), muß oder darf die mit Kunst aufgehübscht werden? Schließlich gilt: My Home is my Castle. Wer bezahlt aber die Künstler oder deren Kunst? Wer befindet bei kommunalen Bauten, welche Kunst dort appliziert wird?
Nun, es gibt ein paar Regeln, an die sich auch eine Stadt wie Zwickau, Berlin, Castrop-Rauxel oder Doberlug-Kirchhain halten sollten. Ein Prozent der Bausumme ist die magische Zahl für Kunst. Und darüber sollten Fachleute entscheiden, nicht lokale Hobbykunstfunktionäre oder ein uninformierter Stadtratsklüngel. Seien wir mal ehrlich, die berühmteste Kunst in Zwickau hängt noch immer im Museumsbau. Vielleicht auch die beste. Doch jenseits von Malerei erstreckt sich Kunst für draußen zumeist auf Objekthaftes, logisch, alles andere ist verderbliche Ware. Gute Kunst, die einen Bau, einen Platz, eine Straße aufwertet ist ein klarer Imagefaktor und sollte unbedingt seine Umgebung künstlerisch reflektierten, auf möglichst hohem, sinnfälligem Niveau.
Vielleicht ließen sich alle öffentlichen Kunstwerke einmal in einer Exkursion zusammenführen. Eine Zwickauer Kunsterwanderung sei hier schon mal die Richtung gedeutet:
Von den beiden Zwickauer Künstlern Jo Harbort und Bodo Korsig haben zwei Banken riesige und markante Skulpturen aufstellen lassen. Vorm Mütterzentrum weht eine filigrane Kunststoffmütze des Hamburger Künstlers Ruprecht Matthies. Früh erkannt hat die HypoVereinsbank das Potential von Rosa Loy, im Foyer hängen drei ihrer frühen Bilder. Ebenfalls in einem Foyer (HBK) sind Bilder vom ehemaligen Zwickauer Mario Urlaß zu bestaunen. Ein riesiges Zwickau-Panorama in der Pestalozzischule hat sich Heinrich Schulze ausgedacht. Tassos Outdoor-Cinema-Scope-Outdoor-Grafitti-Malerei in der Peter-Breuer-Straße ist der (privat finanzierte) Hingucker schlechthin. Nicht weit davon behauptet sich eine dezente grüne Lichtwand von Ruprecht Dreher seit zwanzig Jahren inmitten der Hochschulbibliothek. In der Stadtbibliothek finden sich feinsinnige Farbverläufe in einer Deckeninstallation von Regina Franke. Und ganz aktuell: Der 38-jährige Leipziger Thomas Dietzsche (Flamat) beginnt am 3. September mit der Bemalung des größten Zwickauer Kunst-am Bau-Projekts - der Turm des Martin-Hoop-Schachts IVa wird zur Kunst. Und die Wanderung ginge weiter …
Kunst am Bau muß aber nicht spektakulär sein, sondern im Dienst des Gebäudes stehen, mit "ihrem Ort" eine gelungene ästhetische und funktionale Synthese eingehen, dabei stets die eigene Autonomie sichtbar halten. Es entsteht eine Win-Win-Situation Für mich das schönste Kunstwerk in Zwickau, das man ohne Eintrittsgeld sehen kann, ist auf der Rückseite der Stadtbibliothek in deren Basteianbau integriert. Ein spektraler Halbkreis von farbigen Glasplatten, die an ein Regal mit (Suhrkamp-Taschen)Büchern denken lassen. Minimalistisch eindrucksvoll, abstrakt und poetisch, zurückhaltend und präsent. Ein Regenbogen … Für mich optimal gelungene Kunst am Bau im öffentlichen Raum von Ines Brun, langjährige Professorin in Schneeberg und weitgereiste Künstlerin. Bestaunen Sie die Bibliothek. Auch von außen.
Alles andere, also als das bildhauerische Kunstgewerbe, das da und dort in Zwickaus Straßen und Gassen pfleg- und klaglos verkommt, kann man links liegen lassen
Wer entscheidet nun in der Muldestadt künftig über Kunst-am-Bau-Maßnahmen, die ja zumeist für eine öffentliche Wirkung sorgen sollen. Es müssen unbedingt ausgewiesene Fachleute sein, die man eben auch von außerhalb einladen sollte. Mit selbsternannten Gralshütern der heimischen "Kunstschaffens" in der Jury wird jede professionelle Kunst ins Abseits gestellt. Es wäre so naheliegend wie weitsichtig, qualitativ hochwertige Kunst auszuwählen bzw. Künstler, die echte und wahrhafte Kunst herstellen können. Und die gibt es außerhalb. Beim nächsten Chemnitzausflug achte man beispielsweise auf Daniels Burens farbige Turm-Meisterleistung. Hier in Zwickau dürfen diejenigen Spezis die Kunst am Bau auswählen, deren beste Kumpels sie fabrizieren … ein stadtgewollter Schildbürgerstreich …