Historisch, ab jetzt

Dorf und Idylle passen so selbsteinleuchtend zusammen wie Sonne und Schein. Oder Berg und Tal, Stadt und Land. Hinterwäldlertum und Metropolenschickeria. Es gäbe aber keine Stadtflucht, wenn uns nicht die gesunde Landluft an der Nase herum führen würde. Doch längst ist fast jedes Örtchen in einer dörflichen Behausung breitbandkompatibel sowie an Wasser und Strom volldigital angeschlossen. Dorfbashing beiseite, es hat einfach Vorteile auf dem Dorf zwischen freilaufendem Hühnervolk und zwei Kirschbäumen seine Tage zu fristen. In der Hängematte.

 

Doch es geht auch alternativ-konzeptuell: Lieber gleich ein ganzes Dorf gründen im mittelalterlichen Outfit, archaisch und ohne Schickimicki-Investorenknete, selbst Hand anlegen, sich dabei was denken und mit den anderen Dörflern gute Laune haben. Das geschieht seit 2015 auf Zwickauer Gemarkung: Fleißig und in strikter Eigenarbeit strebt in diesen Tagen das "Historische Dorf" seiner immer erweiterbaren Vollendung entgegen. Diese Minidorfschaft ist sowohl ein Kreativprojekt als auch soziokulturelles und irgendwie auch psychologisches Modell dafür, wie gehe ich produktiv mit mir, mit anderen, meinen Händen und den Bauplänen um. Also dem Machen von etwas, das allen nützen könnte. Zimmermannsarbeit ist gefragt, Brot wird gebacken, und Nachdenken geübt: Wie soll das Dorf in einer halben Stunde und perspektivisch aussehen? Immer unterschiedlich ist, wie viele Jugendliche und Kinder gerade mit Hand anlegen. Ziemlich, ziemlich begeistert und in großer Solidarität erzählt die Leiterin Anja Bausch, wie alles koordiniert wird. Ein Team von Verantwortlichen betreut die Jugendlichen in jeder Hinsicht, wenn sie einfach Spaß an der Freud haben wollen, um sich beim Häuslebauen zu engagieren oder einfach herkommen, wenn sie mal keinen Bock auf den grantigen Opa zu Hause haben. Bootcamp und Bespaßung sehen anders aus und Sim City oder My Little Farmies sind bloß bunte Bau-Fakes mit der grauen Maus. Also, lieber erst in Echt wuseln, dann chillen.

 

Und zum Schluß geht es doch darum, am Ende nicht eine fertige Ansiedlung zu bestaunen, sondern einen lebendigen Prozess des Gestaltens und Kommunizierens fortzuführen.

 

Zum Dorffeeling trägt auch das Herbstbaumeln bei. Die Einweihung des Historischen Dorfes ist sowohl ein Signal, seht her, Jugendliche haben etwas Sinnvolles aus dem Boden gestampft, als auch ein kulturelles Fanal für einen kreativen und entspannten Umgang miteinander. Und genau das will die Dorfagenda vermitteln. In Zwickau ist so ein schöner Hotspot für ein wegweisendes Weitermachen und ein eindrucksvolles Gemeinschaftsleben entstanden. Eine Idylle mit Dorf.

 

 

 

Kulturbürgerin im September wird Petra Lewey, weil es ihr mit ihrem Team seit vielen Jahren gelingt, die Kunstsammlungen weit oben auf der Deutschland-Kunstlandkarte zu platzieren.